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Krankentaggeldversicherung

Lohnfortzahlung bei Krankheit und Krankentaggeldversicherung

Die Frage, welchen Lohn Arbeitnehmende bei unverschuldeter Krankheit beanspruchen können, führt in der Praxis oftmals zu Schwierigkeiten. Ursache dafür sind meistens verbesserungsfähige, ungenaue Regelungen im Arbeitsvertrag.

Keine Regelung im Arbeitsvertrag

Haben die Parteien des Arbeitsvertrages keine Regelung über den Lohn bei Krankheit vereinbart und existiert auch keine gesamtarbeitsvertragliche Regelung, gilt die gesetzliche Bestimmung von Art. 324a OR: Vorausgesetzt das Arbeitsverhältnis hat schon mehr als drei Monate gedauert oder es wurde von Anfang an für mehr als drei Monate eingegangen, schulden Arbeitgebende den vollen ordentlichen Lohn. Im ersten Dienstjahr muss der Lohn aber nur während drei Wochen weiter bezahlt werden. Befinden sich Arbeitnehmende schon im zweiten oder einem höheren Dienstjahr, sagt das Gesetz (Art. 324a Abs. 2 OR) nur, dass der Lohn während einer angemessenen längeren Zeit zu bezahlen ist. Um diese gesetzgeberische Unklarheit zu konkretisieren, haben die Gerichte Skalen zur Lohnfortzahlung geschaffen, nämlich – je nach Region – die Berner Skala, die Basler Skala und die Zürcher Skala. Im Kanton Aargau wird die Berner Skala angewendet. Gemäss Berner Skala dauert die Lohnfortzahlungspflicht im zweiten Dienstjahr 1 Monat, im 3. und 4. Dienstjahr 2 Monate und im 5. bis 9. Dienstjahr 3 Monate. Dauert die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit im jeweiligen Dienstjahr länger, verlieren Arbeitnehmende den Lohnanspruch. Dann gilt wieder der Grundsatz ohne Arbeit kein Lohn.

Krankentaggeldversicherung: Ergänzung oder Ersatzlösung?

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber können – müssen aber in der Regel nicht – eine kollektive Krankentaggeldversicherung für die beschäftigten Arbeitnehmer abschliessen. Besteht eine solche Versicherung, ist zunächst zu prüfen, ob sie nur die (zeitlich stark beschränkte) gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht ergänzt, oder ob sie diese ersetzt. Von der gesetzlichen Minimalregelung bei der Lohnfortzahlungspflicht sind Arbeitgebende nur befreit, wenn die Versicherung eine Ersatzlösung darstellt. Damit eine freiwillige Krankentaggeldversicherung als Ersatzlösung in diesem Sinne gilt, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein (Art. 324a Abs. 4 OR): Es muss schriftlich vereinbart sein, dass die Krankentaggeldversicherung an die Stelle der gesetzlichen Minimalregelung tritt und die Versicherungslösung muss mindestens gleichwertig sein.

Hier tritt in der Praxis das Hauptproblem auf: Häufig wird im Arbeitsvertrag oder im dazugehörigen Personalreglement nicht klar schriftlich vereinbart, dass für den Lohnfortzahlungsanspruch der Arbeitnehmenden nur die Krankentaggeldversicherung gilt. Schriftlich heisst zudem, dass eine solche Abmachung vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer zu unterzeichnen ist. Das Bundesgericht hat es zwar für eine solche Vereinbarung schon genügen lassen, dass Arbeitnehmenden Prämienabzüge für die Krankentaggeldversicherung belastet werden (BGer 4A_517/2010 vom 11.11.2010 E. 4.3). Es ist aber nicht gesichert, dass in der Lohnabrechnung ausgewiesene Prämienabzüge für die Krankentaggeldversicherung immer als stillschweigende Vereinbarung einer Versicherungslösung einzustufen sind. Eine unmissverständliche schriftliche und unterschriebene Vertragsklausel ist deshalb empfehlenswert.

Die Gleichwertigkeit der Versicherungslösung wird dann bejaht, wenn die Versicherung Taggelder in Höhe von 80% des Lohnes während 720 bzw. 730 Tagen bezahlt und die Leistungen nach einer Karenzfrist von höchstens 2 bis 3 Tagen beginnen. Zudem müssen Arbeitgebende mindestens die Hälfte der Prämien finanzieren. Da mit den Krankentaggeldversicherungen häufig eine Wartefrist von 30 bis 60 Tagen vereinbart wird, müssen sich die Arbeitgebenden daher gegenüber den Arbeitnehmenden zusätzlich verpflichten, während dieser Wartefrist mindestens 80% des Lohnausfalles selber zu bezahlen. Ohne diese Zusatzleistung des jeweiligen Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin wäre die Versicherungslösung mit einer Wartefrist von 30 Tagen oder mehr nicht gleichwertig mit der gesetzlichen Minimallösung.

Wenn der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zwar im Einzelfall die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht mit einer Versicherungslösung ersetzen wollten, aber die Erfordernisse der schriftlichen Vereinbarung und/oder der Gleichwertigkeit nicht erfüllen, liegt eine formungültige Regelung vor. Bei einer Erkrankung der Arbeitnehmenden schulden Arbeitgebende dann nur den Lohn im Umfang der gesetzlichen Minimalregelung (Art. 324a OR). Das ist häufig für Arbeitnehmende nachteilig, weil der Lohnfortzahlungsanspruch dann kürzer ist. Nachteilig ist es aber insofern auch für Arbeitgebende, weil dann der volle Lohn während der Leistungsdauer geschuldet ist und diese Leistungspflicht mit jedem Dienstjahr neu beginnt.

 

Kurz zusammengefasst gilt folgendes:

  • Die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht bietet dem Arbeitnehmer nur einen Minimalschutz. Vor allem die Dauer der Leistungspflicht ist kurz.
  • Eine Krankentaggeldversicherung, die die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht nur ergänzt, verbessert den Arbeitnehmerschutz, ohne die gesetzlichen Mindestansprüche anzutasten.
  • Eine Krankentaggeldversicherung, die eine gültig vereinbarte Ersatzlösung darstellt, reduziert zwar die Mindestansprüche pro Krankheitstag (Lohnersatz 80% statt 100%), kompensiert diese aber mit den Vorteilen der Krankentaggeldversicherung, insbesondere mit der zeitlichen Leistungsdauer.

 

Mit unserer kompetenten Unterstützung als Spezialisten für Arbeitsrecht können wir Ihnen helfen, die für Sie passende Lösung zu eruieren und effizient in eine vertragliche Basis umzusetzen.

lic. iur. Markus Weber
Rechtsanwalt
Fachanwalt SAV Arbeitsrecht

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